Interview: Aktuellen Herausforderungen beim Glasfaserausbau aktiv begegnen

Dr. Stephan Albers, Geschäftsführer des BREKO und OpenNumbers-Geschäftsführer Lorenz Barth über
aktuelle Herausforderungen des Glasfaserausbaus und Lösungsansätze für Netzbetreiber.

Die Finanzierung des Glasfaserausbaus steht ja aktuell einigen Herausforderungen gegenüber. Könnten Sie uns kurz erläutern, worin diese genau liegen?

Stephan Albers: Vor ein paar Jahren noch stellte sich in der Tat die Frage nach der Finanzierung. Inzwischen sind aber viele Unternehmen bereit, Geld in den Bau von Glasfasernetzen (FTTB/H) in die Hand zu nehmen. Gerade Private Equity-Unternehmen gehen aktuell mit viel Geld in den Markt.

Natürlich gibt es Herausforderungen und die Frage: „Schaffen wir es bis 2025 auf 50 Prozent Glasfaser?“ beantworten wir mit einem klaren „Ja, aber“. Denn die Risiken sind zum einen geopolitischer Natur, gefolgt von einer Finanz- und Energiekrise, und dann spielt auch der Fachkräftemangel mit hinein. Aber diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. Da stehen wir als Verband natürlich in der Pflicht, die richtigen Rahmenbedingungen und flankierende Maßnahmen von der Politik zu fordern.

Lorenz Barth: Der Druck, der aktuell auf den Netzbetreibern lastet, ist natürlich enorm. Das Geld zum Ausbau ist sehr ungleichmäßig verteilt und die angesprochenen Rahmenbedingungen mit hoher Inflation, teurer Energie und fehlenden Arbeitskräften sind nicht gerade ideal. Ich teile aber die Meinung, dass dies etwas ist, dem sich die Branche stellen muss. Unternehmerische Innovation beginnt damit, sich zu fragen, wie etwas erreicht werden kann und sich nicht hinter äußeren Umständen zu verstecken.

Welche Möglichkeiten bietet OpenAccess den Netzbetreibern in diesem Zusammenhang?

Stephan Albers: OpenAccess bietet viele Möglichkeiten. Laut unserer Marktanalyse liegt der Glasfaserausbau in Deutschland Stand Mitte letzten Jahres bei 26 Prozent. Jetzt stellt sich die Frage, wie kommen wir möglichst schnell voran. Momentan sehen wir allerdings eine sehr unschöne Entwicklung des zunehmenden Doppelausbaus durch die Deutsche Telekom. Das ist volkswirtschaftlich betrachtet natürlich Unsinn. Besser ist es: Einer baut das Netz und öffnet dann das Netz für den Wettbewerber. Das ist auch der erste Schritt, den Wettbewerb auf einer Infrastruktur herzustellen. Dadurch entstehen Synergien und wir können das Ziel schaffen, auf die o. g. 50 Prozent zu kommen. Man kann OpenAccess also als Kooperationsmodell für fairen Wettbewerb übersetzen.

Lorenz Barth: OpenAccess ist natürlich eine Möglichkeit. Auf der anderen Seite bietet sich für Netzbetreiber auch die Chance, neue Dienste auf der Glasfaserinfrastruktur zu vermarkten, etwa moderne Kommunikationsangebote für Geschäftskunden. Wenn Sie dafür auf bereits bestehende Infrastruktur entsprechender Partner zurückgreifen, ist der damit verbundene Ressourcenaufwand für sie auch überschaubar. Fairer Wettbewerb wird dann erreicht, wenn möglichst viele, auch kleinere Netzbetreiber, von allen Möglichkeiten der Glasfaser profitieren und sich und ihre Dienstleistungen weiterentwickeln können.

Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie für Netzbetreiber, den gestiegenen Anforderungen an die Finanzierung zu begegnen?

Stephan Albers: Es hilft vor allem eine sehr genaue Netzplanung, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Zudem spielen Trenching und andere alternative Verlegemethoden eine Rolle, um durch minimalinvasive Verlegung der Glasfaser nachhaltig und kostenoptimiert zu bauen.

Lorenz Barth: Eine kostenoptimierte Verlegung ist natürlich Grundvoraussetzung. Aber eben auch die Fokussierung auf ihre eigenen Stärken einerseits und die Nutzung von Synergien, um innovative Produkte auf der Glasfaser anzubieten, die sich gut monetarisieren lassen. So halten sie die Kosten überschaubar und nehmen gleichzeitig ihre Kunden mit in zukunftsfähige Lösungen. So signalisieren sie ihren Kunden auch gleich„wir denken mit“.

Welche Rolle spielen Geschäftskunden mit ihren spezifischen Bedürfnissen? Glauben Sie, dass diese einen besonderen Anteil an der Stärkung der Marktposition der Netzbetreiber haben?

Stephan Albers: Ja, natürlich. Viele unserer Verbandsmitglieder sind im Geschäftskundenbereich aktiv. Geschäfte werden aber nicht zwischen Unternehmen gemacht, sondern zwischen Menschen. Eine der Stärken der regionalen Netzbetreiber ist ihre Nähe zum Markt. Das bedeutet kurze Reaktionszeiten, da alle Servicekräfte direkt vor Ort sind. Und natürlich entwickeln sich dadurch besondere Geschäftsmodelle. Ein Trend: Der Aufbau regionaler Rechenzentren. Es geht also alles in die Cloud, aber eben nicht in die große, internationale, sondern in die Region.

Lorenz Barth: In der Tat sehen wir in den Unternehmen eine große Affinität zu Lösungen aus Deutschland bzw. aus der eigenen Region. Zu unseren Kunden gehören ebenfalls viele regionale Netzbetreiber oder auch Stadtwerke. Sie kennen wie kein Zweiter die Bedürfnisse ihrer Kunden und haben so die Chance, auf seine Zielgruppe zugeschnittene Produkte anzubieten, was ein national tätiger Anbieter, der den Markt nicht so gut kennt, unter Umständen gar nicht leisten kann oder möchte.

Welches Entwicklungspotential sehen Sie für weitere regionale Angebote für Geschäfts- und Privatkunden?

Stephan Albers: Wenn wir mal auf das Privatkundensegment schwenken, dann ist das Bewegtbild natürlich die Applikation schlechthin. Damit beschäftigen wir uns sehr intensiv, etwa auf den Fiberdays. Hier gibt es eine Media Hall, da beschäftigen wir uns mit dem TV der Zukunft und möglichen Produkten, die sich mit dem Glasfaserausbau für die Endverbraucherinnen und -verbraucher entwickeln.

Und natürlich ist auch die Telefonie noch quicklebendig, das haben wir gerade in den Corona-Zeiten gesehen. Hier ist das Qualitätsbedürfnis der Nutzer heute sehr hoch, das gilt für den privaten, aber erst recht für den Geschäftskundenbereich. Heutige Telefonielösungen sind IP-basiert und hochmodern. Und dank Glasfaser verbessert sich die Qualität hier immer weiter, denn die Netzbetreiber können ihren Kunden so eine symmetrische Bandbreite bieten. Und damit wird natürlich auch die Unified Communication unterstützt.

Lorenz Barth: Unified Communications ist heute für viele Unternehmen eine der wesentlichen Voraussetzungen und bieten im Vergleich zu TV- bzw. Bewegtbildangeboten einen deutlichen ARPU-Sprung für Netzbetreiber. Sie sollten daher sicherstellen, dass sie ein qualitativ hochwertiges, aber vor allem auch diversifiziertes Angebot an Diensten auf der Glasfaser haben. Und natürlich gehören auch moderne Telefonielösungen dazu. Neben einem speziell auf Geschäftskunden ausgerichteten Angebot, das etwa Komfortfunktionen wie Sprachdialogsysteme oder  die Anbindung an CRM-Systeme ermöglicht, ist auch das Thema  ortsunabhängige Arbeiten seit Corona fest etabliert. Mit „Communication Everywhere“ sollen die Mitarbeiter im Homeoffice möglichst so arbeiten können, wie im Büro. Softclients für mobile und Desktop-Geräte machen es möglich. Und nebenbei kann dann zuhause auch noch die Weiterbildung dank E-Learning-Angeboten stattfinden.

Wie sehen Sie die künftige Marktentwicklung in Deutschland im Bereich der Glasfaserangebote allgemein?

Stephan Albers: Der deutsche Markt ist gekennzeichnet durch sehr viel Wettbewerb. Allein wir beim BREKO vertreten mehr als 230 Netzbetreiber, das ist ein Großteil des Marktes. Da wir in Deutschland aber sehr schnell ein gut funktionierendes Glasfasernetz benötigen, können wir uns glücklich schätzen, dass dies nicht nur an zwei oder drei Unternehmen hängt, sondern auf viele Schultern verteilt wird. Wir erleben auch einen regionalen Netzausbau, der ja immer mal wieder in der Kritik stand. Aber gerade in punkto Cybersicherheit ist das eine gute Entwicklung. Denn wenn tatsächlich mal ein Netz angegriffen wird, ist der potenzielle Schaden regional begrenzt.

Lorenz Barth: Der starke Wettbewerb, den wir im Bereich der Netzbetreiber in Deutschland haben, ist natürlich ein Vorteil. Und auch die starke regionale Verteilung der Anbieter ist ein ganz wesentlicher Punkt, gerade in punkto Resilienz. Neben der Resilienz würde ich hier gerne auch den Punkt Datenschutz erwähnen, vor allem im Hinblick auf die stärkere Unabhängigkeit von internationalen Marktteilnehmern. Infrastruktur „made in Germany“ ist dabei sicherlich ein Modell mit Zukunft und wir sollten diese Entwicklung als ITK-Marktteilnehmer gemeinsam für uns nutzen.

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